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Im Kaffeehaus
R. Hugh
Ich sitze im Kaffeehaus. Ich liebe es, im Kaffeehaus
zu sitzen. Die Kaffeehausatmosphäre...
"Verdammt nochmal, wann endlich bekomme ich meinen Tee?!"
...Die Kaffeehausatmosphäre gefällt mir nun einmal. Ja, und
ich liebe es, still vor mich hin zu denken, an meiner Zigarre zu nuckeln
und zu warten. Sinnieren und warten! Welch ein Gedanke!
"Verdammt und zugenäht! Bekomme ich nun endlich meine Tasse
Tee?"
"Ja, sofort!", sage ich und gehe in die Küche.
Ich stelle Wasser aufs Feuer. Es gefällt mir, dass sie nichts verändert
haben. Nun ja, ... in der Küche brennt jetzt ein Holzfeuer. Ich gehe
zurück auf meinen Platz im Gastraum. Niemand wird es je wagen, sich
auf meinen Platz zu setzen. Das ist mein Stammplatz. Ich sitze immer hier.
Hier saß ich schon bevor ... , ... , ... bevor ...
"Ja, ja", seufze ich...
...denke ich, ...
"...das Wasser wird jetzt wohl kochen",
...denke ich, "und es wird bald kühler werden. Dann werden sie
hier endlich die Heizung einschalten, damit die Gäste nicht frieren.
Ich hebe die Hand, winke die Bedienung herbei.
"Bin ja schon da", sage ich.
"Und wann bekomme ich meinen Kaffee?", frage ich.
"Ich dachte, sie hätten Tee bestellt?"
"Ach ja? Ja, also, wann bekomme ich meinen Tee?"
"Ich denke, das Wasser wird heiß genug sein", antworte
ich mir. "Sofort!"
Ich stehe auf und begebe mich abermals in die Küche. Unter den vielen
Blechdosen in der Ecke suche ich mir die schönste heraus und mache
darin Tee. Die Blätter muss ich einfach so hineingeben. Ich habe
kein Sieb. Aber man gewöhnt sich ja an alles. Vorsichtig die heiße
Dose haltend, gehe ich zurück an meinen angestammten Platz.
"Bitteschön der Herr", stelle ich die Konservendose voll
dampfenden Tees auf den Tisch.
"Wurde auch Zeit", murmle ich. Mit meinem Taschentuch wische
ich eine kleine, verschüttete Pfütze weg, bevor ich mich setze.
Und dann nehme ich mir eine neue Zigarre, eine von jenen, die ich aus
dem Tabakladen um die Ecke habe.
Da gibt es in einem Nebenzimmer noch ein ganzes Warenlager voller Tabakwaren.
Aber das verrate ich natürlich niemandem. Vorsichtig hebe ich meine
metallene Tasse hoch, schlürfe von dem Gebräu, das ich Tee nenne,
schaue hinaus durch die gesprungene Fensterscheibe. Der Wind spielt draußen
mit einer Staubfahne über dem rissigen Asphalt. Die Tür quietscht,
hängt lose in den Angeln, als wolle sie gleich herausfallen. Ich
ziehe meinen Mantel enger um die Schultern, nippe ein weiteres Mal vorsichtig
von meinem Tee. Früher... früher, da hatten sie auch schöneres
Geschirr hier.
"Und eine neue Zimmerdecke könnten sie auch einziehen, wenn
die alte schon heruntergefallen ist", beschwere ich mich ganz leise.
Aber die Bedienung hat es dennoch gehört.
"Wir tun unser Möglichstes", antworte ich mir.
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schwäbisch hall
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