Zu Zeiten Flippers

R. Hugh

 

Ich, du, er, sie, es, wir (!) sind noch hier und warten auf unsere große Stunde (.) ist vorbei (?) ..., denn: ausgeflippt, natürlich, waren wir, als sie kam, schließlich, und wir hörten sie nicht den Horizont entlangkriechen, sahen sie nicht zum Zenit steigen, noch bemerkten wir, wie sie wieder hinabklatschte ins große Plumpsklo des Universums und verschwand.
So konnten die Wender den herrschenden Verhältnissen einen neuen Namen geben, während wir, Frieden schaffend, das Land an Ketten legten, (gib du mir dein Händchen, dann gebe ich dir mein Händchen). Und trotz grüner Pflänzchen zwischen den Kettengliedern ließen wir der Wender und ihrer Freunde Kriegsgerät durch die Maschen schlüpfen.
Wir alle waren ja viel zu beschäftigt, selbst Kriege zu führen, psychologische: ich gegen mich, du gegen dich, er gegen sie, wir gegen uns alle. Wir waren viel zu beschäftigt, Terror an uns selbst zu verüben: jene schäumenden Milch-Flips zu trinken, (Bio-Milch, natürlich, mit naturidentischen (!) Aromastoffen, in Metallbecher geknallt und kräftig geshaked), jenes Wurmzeug zu knabbern, (aus Mehl und Stärke gemengt, in Erdnußöl geröstet und durch den Pfannenwirbel gedreht), -"oh, wie knusprig, knackig frisch-flippig"-, daß uns die Zähne nur so zusammenklebten.
Süchtig danach waren wir damals schon, als noch kein Denver-Biest oder Tschei-Aar auf den Bildschirmen intrigierten, als wir, abwechselnd und bunt gemischt versteht sich, - schließlich waren wir `68 noch etwas schuldig -, den Kriegen und (!) dem Freund aller Kinder zuschauten ("Oh Flipper, komm doch auch `mal zu mir in meine Badewanne!), voll Sehnsucht, süchtig.
Doch Flipper kam nie, und der Besuch im Delphinarium war eine Enttäuschung. Dafür krankte der Wald und Tierarten starben. Der Wald fühle sich momentan nur unwohl, und die Tiere seien wohl ausgewandert (in ihr Winterquartier), meinten die Wender. Selbst als die Tiere im Frühling nicht wiederkamen, wichen sie nur unwesentlich von ihrer Meinung ab. Für die Autos ließen sie neue Straßen durch die Wälder bauen, für die Frösche einen Tunnel unten durch, damit sie ungefährdet zu ihren angestammten Laichplätzen kommen konnten. Daß der Wald starb, wollten sie noch nicht einmal zugeben, als die Leute vom Fernsehen für die neuesten Folgen der Schwarzwaldklinik auf die Seychellen und nach SanæFranzisko ausweichen mußten. Professor Brinkmann klebte sich auf seinen Audi einen Kleber "Mein Auto fährt auch ohne Wald" und brauste über die Highway zum Grand Canyon.
Gegenüber, genau geradeaus über die Straße, war eine Gaststätte, wo wir zwischen den Folgen unsere Begierde zu stillen suchten: zipp - tok,tok - Klingeling - zweitausendvierhundertachtundneunzig Punkte - tok,tok,tok. "Flipper dich frei!" Und du tänzelst und singst,kleine Eva..., Flippers weinen nicht,denn sie sind wie die Schmetterlinge.
Wie die Schmetterlinge kamen auch die Bequerels in der Nacht aus dem Osten. Die Aufregung war groß: keine Milch-Flips mehr, denn die Milch war plötzlich verseucht. Doch nicht all zu lange, und clevere Geschäftemacher machten aus der Milch Käse, ließen die gefährlichen Bequerels in der Molke zurück, die sie schließlich dem Staat der Wender zuspielten. Weil die Wender aber mit den Bequerels auch nichts anzufangen wußten, packten sie sie auf lange Güterzüge, und schoben die Waggons ihren Kriegsspielern unter. Nachdem sich so der Kreis wieder einmal geschlossen hatte, ließ auch das Gedächtnis der Leute nach und bald redete niemand mehr von diesem Zwischen-...äh...fall.
Noch während wir in der Kneipe gegenüber an unseren süßen Flips schlürften, (Bio-Milch, garantiert strah-lenfrei!), die unsere Zungen an die Gaumen klebten und uns so das Maul stopften, kamen die Highfische. Sie fraßen die Zeit und schnatterten mit ihren langen Schnabelmäulern nach Fernsehruhm. Uns ließen sie in unseren Ohrensesseln sitzen, (damit wir nicht sehen konnten, was links und rechts von uns vor sich ging - vor allem links), ließen uns euch, ihr, sein, ja sogar dein und mein vergessen, (einmal klauen ist keinmal klauen). Wir hatten schließlich nie etwas gelernt, nie etwas lernen dürfen, denn Lehrstellen gab es nicht. Die Wahl zwischen ehrlich oder nicht hatten wir also gar nicht. Wir waren gezwungen zu vergessen, zu klauen und dann zu warten (.) war das einzige, was blieb (.) ausgeflippt, natürlich (was sonst), bis wir eines Tages, vielleicht morgen schon, oder auch heute noch, in der nächsten Stunde, Minute, Sekunde einfach wegflippen, unsrer großen Stunde nachfolgen. Wir haben einen Freund verloren. Aber schließlich sind wir auch keine Kinder mehr.Ich, du, er, sie, wir sind noch hier und warten.

© 1987

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ernst-walter hug
schwäbisch hall

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