Nach einer Nacht
mit Freunden

 

R. Hugh

 

Am Morgen erwacht, und ich fühle den Tau der Träume auf meinen Gedanken kleben. Was war das für eine Nacht? Habe ich geschlafen oder wach gelegen und einfach still vor mich hingelacht? Es liegt ein Schleier vor meiner Erinnerung. Hörte ich, oder hörte ich nicht, was zur Nacht in mich drang?
Eine jammernde Stimme, die sich beklagte: "Die Nacht hat mich herausgerissen und in eine Einsamkeit gestoßen, mindestens bis Morgengrauen!"
Die Nacht ist aus einem besonders trennenden Stoff. Pünktchen sitzt neben Pünktchen aus Dunkelheit, Da durch dringen keine Gedanken. Oder war jene Stimme doch ein Gedanke? Ein Gedanke, der mich nicht so einsam machte, wie ich geglaubt habe, ich sei. Die Stimme flüsterte auch: "Alle Wege führen zu einem Punkt, dorthin, wo wir einmal sein werden. Und egal, welchen Weg wir wählen, es wird immer der richtige sein."
Ich lauschte. Doch durch das Dunkel kam nur das Atmen der "Freunde" und das Rascheln einer Decke, Hatte mich ein Traum geweckt? Mein Traum? Ein Traum , der sich nie beschreiben lässt, der sich weigert, sich beschreiben zu lassen. Es ist der Traum – umgeben von vielen kleinen Träumen und Träumereien. Doch wenn ich die Augen öffne, sehe ich nur rote Punkte vor meinem Auge flimmern.
Jetzt ist es Morgen. Ich bin aufgewacht, wollte allen einen guten Tag wünschen, doch die Stimme blieb mir im Halse stecken und meinen Gedanken antwortete nur mein Traum. Sein Tau klebt auf meiner Seele und will mich den neuen Tag nicht sehen, das Summen der Bienen, das Zwitschern der Vögel nicht hören lassen. Alles was zu mir dringt, ist ein Rauschen, das Rauschen des Waldes, vom Bach, das Rauschen des Windes und eines Gemisch unzähliger Geräusche.
Und in mir sitzt verängstigt etwas, das sie klein gemacht haben, niedergeschrien und ignoriert haben, etwas, das sie verspotten und sich darüber lustig machen, so, als sei es ja gänzlich unmöglich, etwas so tolpatschiges, kleines, zerstörtes, ein solch unfähiges Ding ernst zu nehmen. "Na ja, es ist eben da und ist ja auch ganz lustig anzuhören, manchmal auch ein bisschen nützlich. Aber im Grunde könnte man auch ohne es auskommen, selbst ohne die Hülle. Sie kann ja noch weniger", sagen sie
Wer hat es denn so klein gemacht, und wer schreit diese Tatsache auch noch in alle Winde, damit es alle hören können, wer denn? Es sind dieselben.
Das macht nicht nur mehr traurig, sondern manchmal auch Hass! Aber auch Sehnsucht nach Geborgenheit. Es macht ein Hingezogenfühlen zu eben jenen großen, fest gefügten -(wie es scheint) - fremden Gedanken. "Alle Wege", haben sie geflüstert.
Vielleicht waren alle Wege nichts als Lüge, Mittel dieses kleine Ding heraus zu locken aus seinem Versteck. Denn manchmal braucht man es ja. Man muss es sich warm halten. Da nimmt man dann schon in Kauf, dass es auch lästig ist und einem auf die Nerven fallen kann, schon durch seine bloße Anwesenheit.
Das Ding freut sich. Aber Gleichgültigkeit scheint die einzige Reaktion. Das Ding ist verwundert – zuerst– und fühlt dann, dass es lästig ist, fühlt sich schuldig (überhaupt da zu sein), will in einer Art Trotz auf die Geborgenheit verzichten. Es glaubt dann, diese Geborgenheit nicht in dem Maße nötig zu haben. wie zur Nacht, wenn Punkt für Punkt das Schwarz nebeneinander im Raum sitzt.
Das Ding zieht sich ganz tief zurück, sucht die Wärme bei sich selbst. Und die gibt es nicht.
Es weint – ich weine. Und Ameisen krabbeln über mein Gehirn. Ameisen mit Vornamen wie Gut, Böse, Ja, Nein, Zweifel, Müdigkeit, Verwirrung, Enttäuschung, Trauer, Tod, Trotz, Freude, Müdigkeit zwei, Traum, Leere, eine ganze Reihe lang und noch viele, viele mehr. Ich weiß, wenn das letzte der Tierchen über mein Gehirn gekrabbelt ist, wache ich auf. Aber noch ist es Morgen und der Tau der Träume klebt auf meinen Gedanken. Es braucht Zeit, zu erwachen.

 

© 1974 / In Hopfach
am Morgen des 26. Mai

(product verlag )
ernst-walter hug
schwäbisch hall

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