Wenn Krieg ist...

 

R. Hugh

 

Sie werden auch dich holen, dir ein Gewehr in die Hand geben, eine Uniform anziehen, einen Helm auf den Kopf setzen, der dich drückt, eine Maske vors Gesicht schnallen, werden sagen: "Geh' in den Wald, töte!" Von da ab gilt nur noch, was der Staat sagt. "Und der Staat, das sind wir", werden sie dir feierlich verkünden und dich auf ein Stückchen eingefärbten Stoff schwören lassen. Alles was dir Mama und Papa und der Herr Pfarrer in der Kinderkirche über Recht und Unrecht beigebracht haben, gilt dann nicht mehr. Du darfst töten, du darfst den andern wegnehmen, was ihnen gehört. Dir selbst nehmen sie die Würde und dein Recht auf eigene Persönlichkeit. Die zehn Gebote sind ein Dreck. Eine Lüge. Wie das ganze Drumherum, das sie Religion nennen.
"Du liegst im Moos., ich liege neben dir. Mein Vater sagte immer: "Wir lagen in der Scheiße". Aber das unter mir ist Moos. Auf meiner anderen Seite liegt noch einer, dann kommt der Offizier. Der zittert. Wahrscheinlich weil er Angst hat. Deswegen schreit er auch so: "Seid nicht so laut!"
Wir alle haben Angst.
Über uns fliegen Flugzeuge. Sie knallen mit der Schallmauer. Flugzeuge knallen, Hunde bellen. Und: "Hunde die bellen, beißen nicht", sagte Vater. Aber was wusste der schon von Überschallfliegern.
Vor uns am Waldrand beginnt ein Steilhang. Im Tal liegt eine kleine Stadt. Klein aber wichtig. Wir sollen sie schützen. Aber das tun wir nicht, Wir gefährden sie durch unsere Anwesenheit, Hat man doch beim vorigen Mal gesehen. Wo hat der Feind den angegriffen?...
... Der Feind, wer ist das denn? Mir fällt auf, sie haben vergessen, uns ein eindeutiges Feindbild einzuprägen. Ja. So nennt man das wohl. Sie haben nur gesagt: "Tötet!"...
... Der Feind hat damals meist dort angegriffen, wo Soldaten waren oder etwas für den Krieg produziert wurde, wo Waffen gelagert wurden oder die hohen Tiere sich versteckt hielten. Aber warum die Stadt unter uns wichtig sein soll? Da ist nichts. Keine Fabrik. Kein Waffenlager, keine Kaserne. Da ist nichts um mehr als ein paar Handwerker und ihre Frauen, die Schulkinder und den Pfarrer, an dessen Märchen sie noch glauben. in der Kirche zu verstecken.
Hinter uns raschelt etwas mit trockenem Laub. Eine Maus? Arme Maus. Wenn dich eine Bombe trifft. Dann trifft sie auch uns. Ich werde jetzt einfach weg robben und in dein Mauseloch kriechen. "Du neben mir, kommst du mit?"
"Weiß nicht so recht."
"Ich will nicht mehr mitspielen, weil...zum Spielen habe ich einfach nicht genug Zeit."
"Und im Sandkasten dürfen ja doch nur die hohen Tiere spielen. Ich komme mit dir."
"He, Offizier! Streich uns aus deiner Liste! Ruf bei den Sandkasten-Größen droben an, sie können uns aus ihrem Plan radieren, wir seien getroffen. Tu's und komm mit! Wir gehen jetzt ein Bier trinken."
Der Offizier zieht seine Pistole, sagt: "Deserteure verdienen den Tod." Wieso eigentlich? Er wird uns erschießen und dann bei den hohen Tieren anrufen, damit sie uns aus ihrem Plan ausradieren. Genau das wollen wir doch. Nur ohne das Schießen vorher.
Auch die Stadt unter uns werden sie ausradieren. Sie werden sagen: "Da werfen wir selbst die Bombe drauf, dann kann der Feind es nicht tun." Sowas ist logisch für die. Sie werden sich eine Sperre aus Strahlung machen, sich zurückziehen hinter die tödliche Wüste. Mitnehmen werden sie nur ihre Armeen. Frauen, Kinder, Alte und Schwache, nur nutzlose Fresser sind das.
"Offizier! Du weißt, was sie tun werden? Jetzt schieß!"
Solange sie nur bellen, greifen sie nicht an. Aber wenn sie hören, dass wir schießen... He, du neben mir. Offizier: wenn wir nicht wollen, dann können die hohen Tiere auch nicht... Sollen sie's doch unter sich ausmachen, im Sandkasten. Wir können dann sagen: "Unsere Väter lagen in der Scheiße , wir nicht."
Komm kleine Maus. Wenn Krieg ist, ist hier nicht gut leben.
Der Offizier schießt.

 

 

© 1973/1998/2006

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ernst-walter hug
schwäbisch hall

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